© Patrick Wittmann

Der Kabarettist Dieter Nuhr engagiert sich vielfältig für die SOS-Kinderdörfer weltweit, die einer der drei Initiatoren der Bildungslotterie sind. Seit vielen Jahren reist Dieter Nuhr in SOS-Länder und besucht dort SOS-Kinderdörfer und die dazugehörigen Einrichtungen wie Berufsausbildungszentren, Familienstärkungsprogramme, Krankenstationen und Schulen. 

Seit mittlerweile 12 Jahren sind Sie als Botschafter für die SOS-Kinderdörfer weltweit aktiv. Wie kam es zu dieser langjährigen Zusammenarbeit?

Dieter Nuhr: Ganz einfach: Ich wurde angesprochen. Dabei musste man mich nicht lange überzeugen. SOS entspricht exakt meiner Vorstellung von einer großartigen Hilfsorganisation, mit der ich mich identifizieren kann: Langjährige Erfahrung, kompetente, lokal angepasste Strategien, Hilfe zur Selbsthilfe.

Was treibt Sie an, sich gerade für die SOS-Kinderdörfer weltweit zu engagieren? Wie unterscheidet sich die Organisation für Sie von anderen?

Dieter Nuhr: Bei SOS überzeugt mich vor allem die Effizienz. Es wird nicht missioniert, weder religiös noch politisch. Stattdessen werden Menschen in die Lage versetzt, sich selbst zu helfen, und zwar den jeweiligen lokalen Erfordernissen angemessen. Viele Menschen wollen Gutes tun, nehmen das dann selbst in die Hand oder gründen kleine Hilfsvereine oder so etwas, weil sie glauben, da ginge weniger verloren. Das ist ehrenwert, aber das Gegenteil ist der Fall. SOS hat über die Jahrzehnte alle Prozesse immer weiter verbessert, man kennt sich aus mit lokalen Strukturen, weiß, wie man korrupte Institutionen oder parasitäre Profiteure raushält. Für effektive Hilfe braucht es Erfahrung.

Wie sieht Ihre Unterstützung als Botschafter genau aus?

Dieter Nuhr: Ich kann möglicherweise vertrauensbildend wirken. Das ist vielleicht die wichtigste Aufgabe. Meine Identifikation mit der Organisation ist hoch, das spürt man. Ich habe viele Kinderdörfer besucht, kann also aus Erfahrung sprechen, auch bei Presse und Fernsehen. Vielleicht kann ich den einen oder die andere überzeugen, dass Hilfsgelder bei SOS perfekt aufgehoben sind.

Sie haben viele Hilfsprojekte selbst vor Ort besucht. Welche Reise ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Dieter Nuhr: In Bolivien war ich zweimal. Dort haben mich vor allem die um das Kinderdorf herum organisierten Berufsbildungsprogramme überzeugt. Frauen, die sich beim ersten Besuch noch selber einfachste Kompetenzen erarbeiten mussten, waren beim zweiten Besuch in der Lage, andere Frauen zu unterrichten. Da sieht man, dass Bildung exponentiell wirkt. Sie vervielfacht sich bei Weitergabe.

Wie wichtig ist bei der Hilfe, die in den Kinderdörfern geleistet wird, das Thema Bildung?

Dieter Nuhr: Bildung ist fast überall der Schlüssel zur Selbständigkeit. Ich habe auch in Äthiopien und im Sudan miterleben dürfen, wie Menschen durch Bildung überhaupt erst in die Lage versetzt werden, eigenständig zu leben. Dabei geht es oft um einfachste Fähigkeiten, die erlernt werden. Der Umgang mit Zahlen wird beispielsweise auch beim Kochen gebraucht oder in der Landwirtschaft, wenn es um Zutaten oder Saatgut geht. Menschen können oft mit wenigen einfachen Lernprozessen einen unglaublichen Schub erfahren.

Als Person des öffentlichen Lebens machen Sie auf die Missstände in vielen Teilen der Welt aufmerksam. Wollen Sie mit Ihrem Engagement auch zum Nachahmen anregen?

Dieter Nuhr: Ich will in erster Linie Vertrauen schaffen. Menschen bezweifeln oft, dass ihre Hilfe ankommt. Bei SOS werden Spendengelder mit wenig Verwaltungsaufwand professionell und zielgerichtet verwendet. Ich möchte die Menschen davon überzeugen, dass ihre Hilfe bei SOS extrem gut aufgehoben ist. Davon bin ich einfach zutiefst überzeugt, aus eigener Anschauung.

SOS-Kinderdörfer weltweit ist neben dem Stifterverband und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung einer der drei Gesellschafter der Bildungslotterie. Haben Sie schon von der Lotterie gehört und was denken Sie über diese neue Art der Soziallotterie, die ihren Fokus gezielt auf Bildungsförderung legt?

Dieter Nuhr: Diesen Fokus halte ich für sehr wichtig. Gerade im Bereich der Grundbildung, lesen, schreiben, rechnen, aber auch vor allem beim Erlernen von Sozialkompetenz, sprich Zusammenarbeit, Gewaltfreiheit und so weiter, ist mit relativ einfachen Maßnahmen unfassbar viel zu erreichen. Menschen werden so in die Lage versetzt, selbständig zu wirtschaften, sich also selbst ein menschenwürdiges Dasein zu erarbeiten. Bildungsförderung ist der Schlüssel für alles.

Als wie wichtig empfinden Sie die Förderung von Bildungsprojekten in Deutschland und über SOS auch im Ausland?

Dieter Nuhr: In Deutschland wird ja gerne über Fluchtursachenbeseitigung geredet. Das ist exakt, was SOS macht. Die Bildungsprogramme von SOS sorgen dafür, dass Menschen in ihrer Heimat selbständig überlebensfähig werden. Sie müssen dann nicht mehr ihre Heimat verlassen, ein großer humaner Fortschritt. SOS leistet hier einen wesentlichen Beitrag zur Flüchtlingspolitik. Weltweite Migration beruht im Wesentlichen darauf, dass Menschen in ihrer Heimat keine Perspektive haben. Daran effizient zu arbeiten ist nicht selbstlos, sondern Weltpolitik. Man kann die Wirkung der Bildungsförderung kaum überschätzen.

Spielen Sie selbst ein Los bei der Bildungslotterie?

Dieter Nuhr: Das habe ich mir gerade vorgenommen…